Einzelhandel 4.0
Seit Jahren ist die Digitalisierung ein ständiger und treuer Begleiter in der Unternehmenslandschaft. Auch vor dem Einzelhandel macht der digitale Wandel nicht halt: Modifizierte Kundentypen, Multi-, Cross- und Omni-Channel sowie Retail Design sind allgegenwärtige Themen. Unternehmen müssen sich gemeinsam mit Führungskräften und Mitarbeitern auf die Veränderungen einstellen und mit entsprechenden Lösungen reagieren. Dazu gehört auch, die Belegschaft besser auf die neuen Aufgabenbereiche einzustellen, um so die Auswirkungen der Digitalisierung im Einzelhandel aufzufangen.
Eine besonders innovative Neuerung bringt der digitale Wandel unter anderem mit einem sogenannten Augmented Reality Mirror mit sich. Dieser Spiegel zeigt dem Käufer in der Umkleidekabine, welche Produkte zum anprobierten Kleidungsstück passen würden. Ebenfalls möglich: die Erkennung der Maße des Kunden. Auf dieser Grundlage werden dem Kunden im Spiegelbild Outfits gezeigt, die zur jeweiligen Person und zu deren Stil passen. Die einzigen Voraussetzungen für die Nutzung: ein kostenfreier WLAN-Zugang und ein entsprechendes Gerät. Die Anschaffungskosten liegen jedoch noch im sehr preisintensiven Segment. Damit eignet sich die Anschaffung einer solchen Apparatur aktuell eher für größere Ketten als für den einzelnen lokalen Händler.
Multi-, Cross- und Omni-Channel
Mit der Digitalisierung kamen Veränderungen in die Geschäfte, die nicht nur die Produktpalette erweitern und Prozesse vereinfachen, sondern auch die Strategie der Unternehmen beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist häufig die Rede von Multi-, Cross- und Omni-Channel. Multi-Channel, auch Multi-Channel-Retailing oder Multi-Kanal-Strategie genannt, bezieht sich primär auf den stationären Handel und ermöglicht den Kunden flexibleres Einkaufen, beispielsweise durch Katalog- oder Onlinebestellungen. Eine kanalübergreifende Gestaltung des Informations- und Einkaufsprozesses ist bei der Multi-Channel-Strategie jedoch nicht möglich – im Gegensatz zum Cross-Channel-Konzept. Hier ist der vernetzte Einkaufsprozess ausgeprägter: Sowohl Informationen als auch Einkäufe werden über die verschiedenen Vertriebswege hinweg miteinander verbunden, aufeinander abgestimmt und letzten Endes getätigt. So informieren sich die Käufer häufig zunächst im Internet über Produkte und mögliche Angebote, ehe sie diese im Geschäft erwerben. Oftmals sind der persönliche Kontakt zum Verkaufspersonal sowie eine entsprechend kompetente Beratung das Entscheidungskriterium, die entsprechende Ware im Geschäft zu kaufen. Darüber hinaus reizt es bestimmte Kundengruppen, die Ware sofort im Geschäft mit nach Hause zunehmen statt lange auf die Lieferung zu warten.
Das Gesamtpaket bieten Omni-Channel-Strategien: Von der Produktrecherche via unterschiedlichster Kanäle bis hin zum Kauf unter Einsatz einer dieser Plattformen – Unternehmen gehen mit ihrem Portfolio flexibel auf den Abnehmer ein und holen ihn aus seiner Komfortzone ab. Egal ob Onlineshops, Einzelhandelsgeschäfte oder weitere Plattformen wie Amazon oder eBay, Einkäufe über mobile Endgeräte, über Apps oder Bestellhotlines: Dem Nutzer sind beinahe keine Grenzen gesetzt, um die gewünschte Ware zu kaufen und zu erhalten. Mittlerweile senden Unternehmen ihrer Zielgruppe auch Nachrichten über Kurznachrichtendienste wie WhatsApp, beispielsweise über Bestellungen, die abgeholt werden können, oder neue Ware, die eingetroffen ist und zum bisherigen Stil des Kunden passt. Die Omni-Channel-Strategie weist viele Übereinstimmungen mit dem Cross-Channel-Konzept auf, versteht sich allerdings als dessen Weiterentwicklung. Auch hier steht die kanalübergreifende Vernetzung der Vertriebswege im Mittelpunkt, die vor allem zur Verbesserung des Kundenerfahrungsmanagements genutzt wird. Im Fokus steht die Kommunikation des Kunden mit dem Einzelhändler. Dieser möchte die Chance haben, über den Kommunikationskanal seiner Wahl mit dem Unternehmen zu sprechen.
Der Kunde von morgen
Häufig stellen sich Einzelhändler die Frage, ob sie zum Lösen der Probleme über das notwendige Know-how verfügen und ob sie die Umstrukturierungen finanziell stemmen können. Allen voran die kleineren Geschäfte haben die Befürchtungen, die digitalen Herausforderungen nicht bewältigen zu können: Veränderungsmanagement, die Verknüpfung der Systeme und der Digitalisierungsprozess stehen ganz oben auf der Liste der neuen Aufgaben, die den Verantwortlichen Bedenken bereiten. Auch die Profitabilität, die mögliche Umstellung oder Erweiterung des Sortiments und die Erstellung und Bewahrung eines einheitlichen Markenbildes zählen zu den Schwierigkeiten.
Einen besonderen Einfluss hat die Digitalisierung auf den Abnehmer direkt sowie die Anforderungen an ihn. Auch Verkäufer müssen ihr Kundenverständnis anpassen. Der Käufer möchte nach Möglichkeit immer bequemer, mit weniger Aufwand und zeitsparend einkaufen. Für die Unternehmen bedeutet dies: Die gewachsenen Ansprüche äußern sich zusätzlich durch das Vorwissen des Käufers, das er über das gewünschte Produkt mitbringt. Häufig informieren sich Kunden im Internet und vergleichen Produkteigenschaften und Preise, um eine gute Verhandlungsposition beim Verkaufsgespräch zu haben. Der Wunsch nach individueller Beratung spielt hier ebenfalls eine große Rolle: Der Kunde möchte kompetent und entsprechend seiner Wünsche und Vorstellungen vom Verkäufer beraten werden.
Daten, Daten, Daten
Eine individuelle Beratung ist für Einzelhändler jedoch nur möglich, wenn die Grundlagen vorhanden sind. Um besser auf den Kunden eingehen zu können, benötigen Verkäufer passende und ausführliche Daten sowie den schnellen Zugriff auf diese. Hierfür bedarf es einer angemessenen Software, die diese Daten zentral verwaltet und von mehreren Mitarbeitern gleichzeitig genutzt werden kann. Einkaufshistorien oder das direkte Feedback vom Kunden geben unter anderem Aufschluss über die notwendigen Daten. Liegen diese vor, können die Mitarbeiter dem Käufer passende Produkte präsentieren und anbieten. Software kommt auch bei Online-Terminbuchungs-Services zum Einsatz, sodass Kunden nicht mehr zwingend ins Geschäft müssen, um Termine festzulegen.
Auch der Aufbau eines sogenannten Multi-Channel-Vertriebs geht auf den Abnehmer ein: Durch den Einsatz und die Erweiterung der Kanäle, mit denen Einzelhändler und Käufer kommunizieren, schafft er die Basis für flexibleres Einkaufen und verkürzte Lieferwege. Zusätzlich resultiert daraus die Erschließung neuer Zielgruppen. Der Kunde nutzt die jeweiligen Vermarktungs- und Vertriebskanäle allerdings unabhängig voneinander. Natürlich müssen auch die Mitarbeiter zu entsprechenden Aus- und Weiterbildungen Zugang erhalten, um sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. Dazu gehören vor allem Schulungen im technischen Bereich, um über die neuesten Standards informiert zu sein.
Veränderungsmanagement im Einzelhandel
Der Arbeitsalltag der Mitarbeiter im Einzelhandel verändert sich. Arbeitnehmer reagieren auf Wechsel und Anpassungen immer unterschiedlich: Der eine akzeptiert diese schneller und setzt Änderungen um, andere verweigern die Durchführung zunächst. Um den Veränderungsprozess optimal in Unternehmen und Teams zu integrieren, müssen sich Führungskräfte zunächst die sieben Phasen des individuellen Veränderungsprozesses bewusst machen. Die Abfolge der Reaktionsphasen ist dabei immer gleich: Zunächst reagiert der Mensch mit Schock und Überraschung, ehe Verneinung und Ablehnung folgen. Erst im dritten Schritt wird über die Veränderung nachgedacht – die Annahme der Konsequenzen ist an diesem Punkt allerdings noch nicht vorhanden. Frühestens in der vierten Phase folgt die emotionale Akzeptanz und/oder Krise.
Mit dem Experimentieren und Lernen in Phase fünf generieren Arbeitnehmer alternative und neue Lösungen, gestalten die aktuelle Situation aktiv mit. Im vorletzten Step werden die Erkenntnisse und neu erlernte Kompetenzen thematisiert. Alle Beteiligte wissen nun, dass die Veränderung keine Bedrohung darstellt und wie sie damit umgehen können. In der finalen siebten Phase stehen Integration und Weiterentwicklung auf dem Programm. Der Veränderungsprozess ist gemeistert, es folgen Zufriedenheit und die Festigung der Verhaltensweisen.
Die Mischung macht’s
Die Einzelhandelsbranche stand und steht immernoch vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die der digitale Wandel mit sich brachte und bringt. Mit den Jahren zeigt sich: Eine Patentlösung gibt es nicht. Einzelhändler sollten sich vielmehr nicht nur auf Online-Handel oder stationären Handel versteifen, sondern beide Wege zusammenführen. Das stellte auch der Handelsverband Deutschland, kurz HDE, bereits vor einigen Jahren fest und spricht von einer intensiven Verzahnung von Online- und Offlineshop in der Einzelhandels-Zukunft.
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